
„Ziele sind Absichtserklärungen an die Zukunft“
Stefan Kleinknecht im Gespräch mit Coach und Autorin Kerstin Hack.
Liebe Kerstin, wir haben Hoffnungen, Sehnsüchte. Wollen Veränderung, Neues. Fast alle Menschen setzen sich so im Leben immer wieder kleine und große Ziele. An welchem persönlichen Ziel bist du gerade dran?
Kerstin: Gerade arbeite ich an einer Serie von Planer-Büchern zum Thema Lebensvision, Quartalsplanung und Tagesplanung. Das ist ein berufliches Ziel, aber auch eine persönliche Leidenschaft, Menschen dabei zu unterstützen, ihr Leben stärker und fokussierter zu leben.
Ein weiteres kleines Ziel ist es, in diesem Monat meinen Haushalt um 50 Gegenstände zu reduzieren. Klein, weil ich auch schon mal 2.000 Gegenstände in 3 Monaten reduziert habe. Puh!
Ist es überhaupt sinnvoll, sich neue Ziele zu setzen?
Eigene Ziele machen Sinn. Ziele sind Absichtserklärungen an die Zukunft, helfen die Energie zu bündeln und in die Richtung zu lenken, in die man sich entwickeln will.
Und: Wenn man sich selbst keine Ziele setzt, werden andere Ziele für einen entwickeln. Der Chef, der Partner, die Kinder, der innere Schweinehund, wer auch immer. Da ist es schon besser, wenn man selbst entscheidet.
Wie finde ich heraus, welche Ziele es sich anzugehen lohnt – und welche ich direkt verwerfen sollte?
Ein Ziel sollte zumindest ein Stück Begeisterung wecken und mit etwas Anstrengung erreichbar sein. Es wird häufig darüber diskutiert, ob ein Ziel realistisch ist. Die meisten Ziele sind erreichbar – etwa in Berlin einen Flughafen zu bauen oder einen Marathon zu laufen. Nur der Zeithorizont wird oft ein paar Monate oder Jahre zu kurz gesetzt.
Vielleicht habe ich auch gefühlte 1.000 Ziele für mein Leben und weiß gar nicht, wie und womit ich anfangen soll. Dein Tipp dafür?
Die Spaghetti-Taktik. Auf keinen Fall alle auf einmal, sondern eine „Ziel-Nudel“ fertig aufrollen. Dann die nächste. Ich empfehle mit relativ kleinen Zielen anzufangen – also eher 5 km laufen als gleich den Marathon. Und dann mit der Energie, die es gibt, das Ziel erreicht zu haben, das nächst größere Ziel anzugehen. So wird das zum Beispiel auch beim Schuldenabbau empfohlen. Erst den kleinsten Schuldner bezahlen, dann den nächsten usw.
Dann gibt es drei Knackpunkte auf dem Weg zur „Zielerreichung“, die mir immer wieder auffallen: Schwer ist aus meiner Sicht zum einen der Beginn. Wie starte ich durch, ohne gleich krachend zu scheitern und aufzugeben?
Der härteste Schritt bei jedem Lauf ist es, die Schuhe zu binden. Wenn wir Ziele entwickeln, Ideen haben, was wir alles Tolles machen können, dann schüttet unser Körper das Glückshormon Dopamin aus. Wenn wir dann zu lange warten, bis wir beginnen, ist der Dopamin-Schub wieder weg, der uns die Kraft zum Anfang geben kann. Besser ist es, man nimmt sich etwas vor, wie z. B. die Wohnung aufzuräumen oder Sport zu machen – und startet gleich mit einem winzigen Teil: 10 Dinge suchen, die man wegeräumen kann, 5 Kniebeugen oder Liegestützen machen. Dann ist der Anfang schon gemacht, man spürt gesunden Stolz. Das hilft dann bei Schritt Nummer 2.

Der härteste Schritt bei jedem Lauf ist es, die Schuhe zu binden.
Und dann Knackpunkt zwei: Wie bleibe ich dran? Damit es sich nicht im Sande verläuft, in Vergessenheit gerät und alles „beim Alten bleibt“?
Ich empfehle immer nur ein Ziel auf einmal oder ein Ziel für jeden Lebensbereich, z. B. Gesundheit, Wohnung, Familie, Arbeit. Mir helfen Erinnerungszettel. Ich will gerade meine Spaghetti-Strategie stärker im beruflichen Alltag integrieren. Und habe mir ein Bild mit einer Gabel und einer aufgewickelten Nudel an meine Pinnwand gehängt. Verschiedene Wecker auf meinem Handy erinnern mich auch an meine Ziele.
Wenn man in einer Familie oder WG lebt, kann man auch die anderen Familienmitglieder einbeziehen: „Bitte erinnert mich daran.“ Oder: „Ihr bekommt einen Euro, wenn ihr mich dabei erwischt, dass ich es nicht mache ...“
Ich habe für Menschen, die Ziele erreichen wollen, den Powerlauf gestartet: Eine Gruppe von Menschen trifft sich regelmäßig per Zoom und unterstützt sich gegenseitig dabei, ihre Ziele zu erreichen. Wunderbar.
Dann ist das noch das Thema „Scheitern“. Auf dem Weg zum Ziel wird es vielleicht Rückschläge geben. Wie gehe ich damit um?
Rückschläge sind wunderbare Lerngelegenheiten. Man muss ihnen nur den Aspekt der Selbstanklage nehmen, sich stattdessen fragen: Was hat dazu beigetragen, dass es nicht geklappt hat? Was kann ich besser tun?
Was hat dazu beigetragen, dass es nicht geklappt hat?
Vielleicht steht irgendwann auch die Frage an: Lohnt es sich überhaupt, das Ziel weiter zu fokussieren? Wann sollten wir deiner Meinung nach an Zielen festhalten und wann lieber loslassen?
Jedes Ziel hat einen Sinn. Ich habe mir zum Beispiel Anfang des Jahres vorgenommen, die Bibel in diesem Jahr einmal ganz durchzulesen. Der Sinn war, dass ich Gott und sein Wort besser kennenlernen wollte. Im Oktober habe ich gemerkt: Statt viel zu lesen, wünsche mir eher, dass einzelne Worte mich tief berühren. Ich änderte die Strategie – lese jetzt nur einen Vers pro Tag und ab und zu, wenn ich Zeit habe, größere Abschnitte auf einmal. Der große Sinn, Gott zu begegnen, bleibt erhalten. Nur das kleine Ziel, die Bibel unbedingt in einem Jahr durchgelesen zu haben, habe ich verändert.
Ziele darf man loslassen, wenn sie keinen Sinn mehr machen. Und sich dann fröhlich etwas zuwenden, das mehr Sinn ergibt.
Man darf Ziele loslassen, wenn sie keinen Sinn mehr machen.

Am Ende nochmals kurz zurück zum Anfang. Wie weit bist du bei deinen eben genannten persönlichen Zielen gekommen?
Aktuell habe ich von der Serie, an der ich arbeite, Teil 1, den Tagesplaner, fertig. Und ich schreibe fast täglich an Teil 2.
Bei dem kleinen Aufräumziel motiviere ich mich durch eine Liste auf der Küchentheke. Da steht alles drauf, was schon aus meinem Haushalt in den Müll oder zu anderen Menschen gewandert ist. Bisher 4 Blusen, 2 Flaschen, 1 Kleid, 1 Paar Schuhe, 3 Bücher, 2 Magazine, 2 Gläser, 1 Umschlag und ein Deckel – also 16 Sachen.
Vielen Dank, Kerstin, für die tollen Tipps – und weiterhin viel Erfolg für deine Ziele!
Kerstin Hack inspiriert Menschen gerne als Coach, Autorin und Speakerin. Ihren größten Traum, auf einem Hausboot an der Spree zu leben, hat sie sich bereits erfüllt.
Mehr unter: www.kerstinhack.de.