Schönheit erkennen

Eine Freundin von mir hat Zwillinge – zwei sechsjährige Mädchen: Alicia und Nora. Beide lieben ihre Barbies, lassen beim Essen die Tomaten übrig, teilen sich ein Zimmer, einen Kleiderschrank und zu 100 Prozent ihre DNA. Alicia und Nora sind eineiige Zwillinge mit großen dunkelbraunen Augen, kurzen krausen Afrolocken und einem kleinen Bauch, der ihre Liebe zu Süßigkeiten verrät. Das einzige, was die beiden äußerlich unterscheidet, ist Noras kleine Zahnlücke und ihre 1-Centgroße Narbe oberhalb des rechten Knies.

Vor Kurzem habe ich eine WhatsApp-Nachricht bekommen, dass beide ihren ersten Milchzahn verloren haben. Ironischerweise ist es der gleiche! Noch vor drei Jahren, als ich die Familie kennengelernt habe, hätte diese Nachricht Panik in mir ausgelöst. Wie hätte ich die beiden dann unterscheiden können? Im Winter, wenn sie lange Hosen tragen? Heute sehe ich das entspannt, denn in den letzten Jahren habe ich die beiden besser kennengelernt und weiß: Es gibt mehr, was sie unterscheidet, als eine Zahnlücke und eine Narbe.

Die Unternehmungslustige & die, die nach Nähe sucht

Alicia ist die Initiativere. Wenn ich zu Besuch komme, führt sie mich als erstes in ihr Zimmer und zeigt mir stolz die neuen Spielsachen, die sie bekommen hat. Oder sie drückt mir entschlossen ein Buch in die Hand, das ich vorlesen soll. Meistens schaffen wir es aber gar nicht bis auf die letzte Seite, weil sie ungeduldig aufspringt und schon eine neue Idee hat, was wir tun könnten.

Nora ist dann in der Regel für alle Untaten zu haben, aber sie bleibt noch einen Moment länger auf meinem Schoß sitzen, bevor sie ihrer Schwester hinterherstürmt. Nora genießt Nähe. Bei meinem letzten Besuch hat sie sich vorsichtig zwischen mich und die Spüle gedrückt und mir beim Abwaschen geholfen, nur um bei mir zu sein.

Dankbarkeit statt Eitelkeit

Wenn ich die beiden nebeneinander sehe, bin ich immer wieder erstaunt, wie unterschiedlich sie sind, obwohl sie doch die gleichen Gene haben, also biologisch identisch sind. Jede von ihnen ist einmalig, ihr Charakter einzigartig. Sie sind von einem Schöpfer geschaffen, dem die Ideen bei uns Menschen offensichtlich nicht ausgehen.

David – der Hirte und Poet, der vor 3.000 Jahren auch als König über Israel regierte – schrieb: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“

David, die Bibel – Psalm 139,14

Der Typ Mann, nach dem sich die Frauen umdrehen

David selbst war braun gebrannt, gut aussehend und hatte schöne Augen. Er war der Typ Mann, nach dem sich die Frauen umgedreht haben. Aber das hat ihn nicht eingebildet gemacht oder überheblich werden lassen. Davids Definition von Schönheit war eine andere. Er schreibt, dass seine Seele erkennt, dass er wunderbar gemacht ist. Nicht seine Augen, nein, seine Seele. Sein Blick geht tiefer, über das Offensichtliche hinaus. Was er da erkennt, bringt ihn dazu, Gott zu danken.

David war der Jüngste in seiner Familie. Der Kleine, der zum Schafehüten aufs Feld geschickt wurde. Doch unbemerkt von seinem Vater hat er unter Schafgeblöke gelernt, mit Bären und Löwen zu kämpfen. Am Ende dieser harten Schule war er ein mutiger Krieger, der sich selbst einschätzen konnte und seine Grenzen kannte. Er war ein pflichtbewusster Arbeiter, begnadeter Musiker und loyaler Freund. Diese Eigenschaften haben ihn dazu gebracht, ein dankbares Herz zu haben – nicht seine schönen Augen oder der braune Teint.

Die Sache mit dem Vergleichen

Manchmal fällt es mir schwer, meine eigenen Charakterzüge anzunehmen, und ich beneide die Leute, die kreativer, unterhaltsamer oder spontaner sind als ich. Im Vergleich zu ihnen komme ich mir als analytischer Denkertyp, mit einem Zuhörerherzen und Sehnsucht nach Beständigkeit oft langweilig und einseitig vor.

Dabei vergesse ich aber einen wichtigen Punkt: meine Eigenschaften haben ihre Berechtigung. In manchen Situationen braucht es eben nicht die Unterhalterin, sondern eine gute Zuhörerin; nicht einen impulsiven Kreativling, sondern eine Denkerin.

Es war Gottes Idee bei uns Menschen: Er hat uns unterschiedlich gemacht, damit wir uns mit unseren Stärken ergänzen und unterstützen können.

Tipp:

Bleiben Sie dran am Thema! Daher ermutige ich Sie, bei sich zu beobachten, zu entdecken und zu fragen: Welche tolle Eigenschaften habe ich?

Können Sie Gott – so wie König David – dafür dankbar sein?

Wer schreibt hier:

Simona Brandebußemeyer ist Moderatorin und Redakteurin bei ERF Medien. Sie hat Musikwissenschaften studiert, ist ein echter Herbstmensch, liebt schwarzen Tee mit Milch und geht gerne spazieren.

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