Andreas Onea – Der Grenz-Überwinder

Alter: 30 Jahre

Geburtsort: Zwettl (Österreich)

Wohnort: Mödling

Sportliche Erfolge:

  • Paralympics-Bronze: Rio 2016
  • WM-Silber: Montreal 2013
  • WM-Bronze: Rio de Janeiro 2009 & Glasgow 2015
  • EM-Silber und –Bronze: Funchal 2016
  • EM-Silber und –Bronze: Dublin 2018
  • EM-Bronze: Island 2009, Berlin 2011, Madeira 2021
  • Weltrekord 50 m Brust: 2008

Ausbildung:

  • MBA Business Administration & Sport (FH Burgenland)

Moderation beim ORF:

  • Sport / Sport aktuell
  • Ohne Grenzen
  • Licht ins Dunkel

 

Im Alter von 6 Jahren verlor Andreas Onea bei einem Autounfall seinen linken Arm. Was er niemals verlor: Lebensfreude und Ehrgeiz. Das macht ihn heute zum erfolgreichen Para-Sportler im Schwimmsport, ORF-Moderatoren und Motivationsredner. Warum er seine Behinderung als ein Geschenk sieht, erzählt er im Gespräch mit Stefan Kleinknecht.

 

Hallo Andreas, du bist ein unglaublich lebensfroher Mensch. War das schon immer so?

Andreas Onea: Ja, weil ich einfach so froh bin, dass ich leben darf. Dass ich den schlimmen Autounfall damals überlebt habe, war echt ein Wunder. Im Mai 1998 war ich mit meiner Familie auf dem Weg von Rumänien zurück nach Österreich. Ein LKW hatte vor uns Öl verloren. Der schlechte Straßenzustand, dazu das Wasser und das Öl darauf führten dazu, dass mein Vater auf der nassen Fahrbahn die Kontrolle über den Wagen verloren hat und wir uns mehrmals überschlagen haben. Durch den Unfall wurde mir der linke Arm abgerissen und ich bin im Straßengraben gelandet. Dass ich trotz des Blutverlustes und einer möglichen Wundinfektion überlebt habe, ist für mich ein großes Wunder. Eigentlich hätte ich an der Unfallstelle sterben müssen. Doch ich lebe und bin jeden Tag dankbar dafür – auch für alles, was nach dem Unfall folgte.

„Ich bin jeden Tag dankbar dafür, dass ich lebe.“

Andreas Onea

Nach der Arm-Amputation folgte bei dir eine Reha, in der du dann deine Begeisterung für das Schwimmen entdeckt hast …

Genau, ich sollte Schwimmen als Therapiesport machen. Davor konnte ich aber noch gar nicht schwimmen. Ich habe es einarmig gelernt. Und es hat mir dann so viel Spaß gemacht – auch weil ich merkte: Hey, ich kann was – sogar richtig gut, mit nur einem Arm. Ich wurde immer besser und schneller. Und so fanden bald die ersten Wettkämpfe statt.

Hast du mit dem Verlust deines Armes denn nie gehadert?

Nein, das ist bei mir persönlich tatsächlich bisher nie vorgekommen. Im Endeffekt hat der schwierigste Moment in meinem Leben, der Unfall, zu so vielen schönen und erfolgreichen Momenten geführt. Aber vorgekommen ist, dass das Umfeld nicht damit umgehen konnte.

Wie genau zeigte sich das?

Dass ich Zielscheibe von Klassenkameraden war und sie sich über mich lustig gemacht haben. Dass ich als vermeintlich schwächer hingestellt wurde. Da habe ich natürlich gefragt: Warum machen die das? Warum soll ich weniger wert sein? Aber ich wollte mich dadurch nicht behindern lassen – und hatte zudem im Sport meinen Ausgleich und Zuspruch.

Der Sport hat dich also geprägt …

Ja, total. Er hat mir klar meine Grenzen aufgezeigt – aber auch, wie ich diese Grenzen überwinden kann, wie ich wachsen kann, dass ich an mir selbst arbeiten kann. Ich habe wahnsinnig viel über Selbstdisziplin gelernt und was es bedeutet, über Jahre hinweg an einem Ziel zu arbeiten, ohne vom Weg abzukommen.

Erfolgreicher Schwimmsportler, TV-Moderator beim ORF, Vortragsredner. Du scheinst definitiv schon sehr viele Grenzen überwunden zu haben …

Grenzen, was ist das? Ich habe noch nie welche gesehen, nur gehört, dass sie in den Köpfen mancher Menschen existieren!

„Grenzen existieren in den Köpfen mancher Menschen!“

Andreas Onea

Und diese Grenzen behindern, oder?

Genau. Persönlich – Dinge nicht zu erreichen, aus Angst und Zweifel an sich. Und auch in der Gesellschaft. Ich hoffe, eines Tages ist es völlig normal, dass Menschen mit Behinderung TV-Sendungen moderieren.

Als aktiver Sportler bist du bereits als Moderator beim ORF tätig. Was begeistert dich daran?

Das Moderieren an sich fasziniert mich. Man hat die Möglichkeit, in einem bestimmten Rahmen, den Zuschauern oder dem Publikum eine Message zu transportieren. Und wenn man richtig und gut kommuniziert, kann man es schaffen, dass etwas beim Publikum ankommt.

Was wäre so eine Message?

Bei „Ohne Grenzen“, dem Behindertensportmagazin, versuchen wir zu zeigen, dass es eine tolle, aktive und lebendige Szene im Behindertensport gibt. Und wir wollen zeigen, dass es nicht schlimm sein muss, eine Behinderung zu haben. Es ist nichts, wofür man sich schämen muss. Es gehört einfach dazu. Man hat es. Es ist ein Umstand, mit dem man leben muss. Und man kann genauso gut das Beste daraus machen. Und das ist im Sport sehr gut möglich.

„Ich will das Beste aus dem machen, was ich sowieso nicht ändern kann.“

Andreas Onea

Wenn jetzt aber jemand mit seiner Lebenssituation total unzufrieden ist – was wäre dein Rat?

Ich will mir nicht anmaßen, Rat für die Situation anderer Menschen zu geben. Ich kann nur sagen, was mir für mich klar geworden ist. Zwei Punkte – erstens: Es gibt Dinge, auf die ich einfach keinen Einfluss habe – in meinem Fall der Unfall, die Behinderung. Was ich aber sehr wohl beeinflussen kann, ist der Umgang damit. Wie reagiere ich jetzt darauf? Will ich, dass diese Situation mich einschränkt, mich Kraft kostet und mir Lebensfreude und Energie raubt? Oder schaue ich, dass die Behinderung ein Segen wird. Dass ich das Beste aus dem mache, was ich sowieso nicht ändern kann.

Und der zweite Punkt?

Das ist mein Glaube an Gott. Der war für mich und meine ganze Familie ein ganz wichtiger Aspekt. Wenn ich weiß, dass ich nicht immer die Kontrolle über alles im Leben habe, tut es unglaublich gut, Gott zu vertrauen, der alles in seiner Hand hat und niemals die Kontrolle verliert. Das gibt mir bis heute Ruhe und Frieden. Nicht nur im Umgang mit dem Unfall, sondern in allen schwierigen Lebenssituationen, die danach gefolgt sind: im Aufwachsen mit der Behinderung, in den Niederlagen im Sport usw. Da zu glauben, dass da jemand einen Plan hat und ich darauf vertrauen darf, dass es gut wird – das gibt mir ganz, ganz viel Lebensruhe.

Diese Ruhe spürt man dir auch ab. Im Gespräch, aber auch im TV-Studio oder beim Sport. Wie schaffst du das?

Ich bin dann zufrieden, wenn ich weiß, dass ich alles gegeben habe. Selbst, wenn ich meine Ziele nicht erreiche, die Dinge nicht nach Plan laufen. Aber wenn ich weiß, ich habe alles gegeben, hätte es nicht noch besser machen können – dann bin ich so zufrieden, wie es ist. Das nimmt den Druck heraus, vor allem, sich immer wieder selbst übertreffen zu müssen. Wenn etwas nicht klappt, dann versuche ich daraus zu lernen. Wenn etwas klappt, dann bin ich dankbar und setzte mir neue Ziele.

Aber im ersten Moment ist doch sicherlich trotzdem Frust da, wenn du zum Beispiel nicht dein Ziel beim Schwimmsport erreichst.

Ja klar. Das ist normal. Im ersten Moment kommen negative Gedanken. Ich habe durch den Sport gelernt: Es geht darum, wie ich dann mit den Gedanken umgehe.

Wie machst du das?

Mir ist es generell wichtig, eine positive Grundeinstellung, eine Zufriedenheit zu haben. Im Vorfeld vor Herausforderungen gehe ich mental die Situationen durch. Okay, es könnte sein, ich scheitere. Ja, dann werden Frust und negative Gedanken kommen. Doch wie gehe ich dann damit um: Mache ich mich selbst fertig dafür und lasse die ganzen negativen Gedanken über mich kommen, denke schlecht von mir? Oder versuche ich es möglichst schnell abzuhaken, Schlüsse daraus zu ziehen und den Fokus auf das Positive zu richten?

Vorurteile gegenüber Menschen mit einer Behinderung sind immer noch vorhanden. Du hast es schon anklingen lassen – Aussagen wie „die sind schwächer, leisten weniger, sind unzufrieden“. Was sagst du, wenn du mit so was konfrontiert wirst?

Dann erzähle ich meistens von meinem letzten erfolgreichen Wettkampf, von der schönen Reise und von den Dingen, die ich machen darf. Ich lasse die Person realisieren, dass ich offensichtlich total zufrieden bin mit meinem Leben. Das muss in der Gesellschaft noch besser ankommen, dass Menschen mit Behinderung nicht automatisch unglücklich sind. Natürlich gibt es unzufriedene Menschen mit Behinderung, genauso wie es unzufriedene Menschen ohne Behinderung gibt. Ich persönlich bin sogar überzeugt, dass prozentuell viel mehr Menschen ohne Behinderung unglücklich und unzufrieden sind als Menschen mit Behinderung.

Wer sind deine Idole bzw. Vorbilder?

Ich habe nicht unbedingt welche. Mich faszinieren alle Menschen, die trotz widriger Umstände etwas aus ihrem Leben gemacht haben. Ich bin generell, aber vor allem im Behindertensport, fasziniert davon, wenn ich Geschichten von Sportlerinnen und Sportlern lese. Es ist toll zu sehen, was alles möglich ist, wenn man es möchte, wenn man hart dafür arbeitet. Was Para-Sportler weltweit in ihren jeweiligen Sportarten erreichen, ist unglaublich und gehört viel, viel mehr in die Welt hinausgetragen.

Danke, Andreas, für das Gespräch und alles Gute für deine Zukunft!

Interview: Stefan Kleinknecht

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Weiteres Interview mit Andreas Onea als Gast im „ERF Jess – Talkwerk“: