
Check-Up für den Vertrauensbereich
Im Gefühlsbereich Vertrauen geht es um Sicherheit. Die fühlen wir natürlich, wenn keine Gefahren da sind oder, wenn wir gut geschützt sind. Manchmal benötigen wir aber eine Sicherheit, die aus dem Vertrauen wächst. Dann wissen wir um die Risiken, denen wir uns aussetzen. Wir ahnen, dass wir Verletzungen oder vielleicht einen Schaden aushalten müssen, aber wir spüren auch unsere innere Stärke. Wir vertrauen, dass Verletzungen heilen und wir trotz Nachteilen unsere Ziele erreichen werden. Vertrauen macht ruhig und gelassen. Es bewirkt eine innere Sicherheit. Deine Gedanken fließen frei. Deine Gefühle zeigen sich offen. Du sprichst an, was zu sagen ist, und du packst an, was zu tun ist.
Ein Beispiel: Eine Person, bemerkt Vertrauen vor allem an einer inneren Lebendigkeit und Ausgelassenheit. Sie erlebt Freude, reagiert humorvoll und spontan. Sie fühlt sich souverän in dem Sinne, dass sie sich zutraut, auch auf Schwierigkeiten oder die Schwächen anderer Menschen gut zu reagieren. Sie empfindet eine Art positiver Gleichgültigkeit gegenüber möglichen Blamagen oder Pannen: "Na und? Irgendwie geht es schon weiter." In ihrem Körper spürt sie dann manchmal einen Tatendrang, manchmal nur eine wohlige Entspannung.
Wie ist es bei dir, wenn du dich sicher und voller Vertrauen fühlst? Halte es hier fest, am besten denkst du dabei an eine Situation aus deinem Alltag, in der du dich sicher fühlst. Halte auch deine Körperempfindungen fest, wenn du sie spüren und in Worte fassen kannst.
Jetzt überlege, wie es sein wird, wenn dein Vertrauen noch weiter zunimmt. Wie könnte es bei dir sein, wenn dein Vertrauen noch zunimmt? Halte deine Gedanken dazu fest, indem du die positive Liste oben ergänzt.
Nun beschreibe auch den anderen Pol auf deinem Herzenskompass. Wie fühlst du dich, wenn du deine Sicherheit und dein Vertrauen verlierst? Ein Beispiel: Eine Person fühlt sich beklemmt und gehemmt, wenn sie ihre Sicherheit verliert. Sie wird vorsichtig und öffnet sich weniger. Sie verhält sich anderen gegenüber sachlich und verstandesbetont, obwohl sie eigentlich besonders jetzt die Nähe und Verbindung zu anderen Menschen bräuchte. Ihr natürlicher Optimismus zieht sich zurück und gibt pessimistischen Gedanken Raum. Sie spürt sich selbst weniger und ihr Körper fühlt sich steif und unbeweglich an. Tatsächlich passieren ihr auch mehr Missgeschicke, sie verlegt wichtige Gegenstände, stößt Gegenstände um oder lässt sie fallen.
Wie sieht es bei dir aus, wenn dir Sicherheit und Vertrauen fehlen? Halte hier deine Gefühle, typische Gedanken, Verhaltensweisen und Körperempfindungen fest.
Bedrohung und Vertrauen
Wir müssen unser Vertrauen ausbalancieren zwischen einer gesunden Wachsamkeit und einer Verletzbarkeit, ohne die keine Beziehung und keine Zusammenarbeit gelingen können.
Lass vor deinem inneren Auge die Menschen auftauchen, in deren Gegenwart du dich sicher fühlst, bei denen du dich öffnen kannst und die dich in deinem Vertrauen ins Leben stärken. Solche Menschen sind auch für dich da, wenn du dich einmal blamierst oder wenn etwas schiefgeht. Die Begegnung mit ihnen stärkt dich außerdem so, dass du auch Verletzungen oder Verluste bewältigen kannst. Wie fühlst du dich genau, wenn du solche Beziehungen und Begegnungen erlebst? Wie fühlt sich dein Körper an? Halte dein persönliches Gefühl von Vertrauen und Sicherheit hier fest.

Und nun erinnere dich auch an Beziehungen, in denen du das Gegenteil erlebt hast. Wie ist es, wenn du dich von anderen Menschen bedroht oder dich unsicher fühlst, weil du Verletzungen, Beschämung, Ablehnung, einen Beziehungsabbruch, Manipulation, Ausgenutzt Werden oder Rache fürchten musst. Auch solche Situationen fühlen sich für jeden Menschen etwas anders an. Halte hier fest, wie es bei dir ist, welche Gefühle, Gedanken und Körperempfindungen du dabei hast.
Manche Menschen hatten schlechte Startbedingungen im Leben. Sie haben keine guten Beziehungen erfahren. Die wichtigen Bezugspersonen ihrer Kindheit konnten nicht gut für sie da sein. Und weil sie nie erfahren haben, wie man gute Beziehungen aufbaut, sind auch im späteren Leben kaum gute Bindungen entstanden. Gehörst du zu diesen Menschen? Dann halte Erfahrungen fest, durch die du dich am ehesten geliebt, frei und in deinem Vertrauen gestärkt gefühlt hast. Nutze deine Vorstellungskraft: Wenn du Beziehungen findest und aufbaust, in denen du dich geliebt und erfüllt fühlst, wie wird es dann vermutlich sein? Wie, wenn du dich frei und in deiner Freiheit unterstützt fühlst? Wie, wenn du dich sicher und stark fühlst? Hast du in den Beziehungen anderer Menschen schon beobachtet, was du dir wünschst? Halte diese Annäherungen als Ziele für deine Beziehungen fest, auch wenn sich dein Bild guter Beziehungen im Lauf der Zeit noch etwas verändern wird.
Anzeichen, wenn Vertrauen schwerfällt
- übertriebene Kontrollen (eine E-Mail dreimal Korrektur lesen; mehrfach schauen, ob der Herd auch aus ist ...)
- übertriebenes Nachfragen bei Menschen, die dir Rat, Vergewisserung und Sicherheit geben
- Schüchternheit, soziale Angst und soziales Vermeidungsverhalten
- Verschlossenheit
- zwanghafte Orientierung an Regeln und Autoritäten (oft im Bereich Gesundheit oder Glauben; das engt ein, lenkt von der eigentlichen Lebensaufgabe ab und nervt andere)
- zu viel reden (übergenau und mit Wiederholungen, aus Angst, nicht richtig verstanden zu werden)
- stundenlanges Sich-Informieren über ein Thema, das dir Angst macht
- mit anderen übertrieben lange über negative Erlebnisse, Gefahren, Katastrophen, Krankheiten und Ähnliches reden
- langes Zögern bei Entscheidungen oder wenn du etwas Neues beginnen willst
- übertriebene Vermeidung von Gefahren (vor Ansteckung, Fehlern, Unfällen, sich verirren, sich blamieren)
- nachtragend sein und nicht vergeben (damit du nicht neu vertrauen musst und gegen den anderen etwas in der Hand behältst)
- Selbstbetäubung, wenn die Angst zu groß wird (Serien, Essen, erotische Stimulation, Kaufen ...)
Vielleicht hast du dich in der einen oder anderen Gewohnheit wiedererkannt. Natürlich kannst du nicht alles auf einmal angehen. Frage dich:
- Was stört mich wirklich?
- Was kostet mich Zeit und Kraft?
- Was greift mein Selbstwertgefühl und mein Selbstvertrauen an?
- Was hält mich von meinen Zielen ab?
- Was belastet meine Beziehungen?
Dann kannst dir einen Punkt heraussuchen, dessen Überwindung dich am meisten weiterbringt. Wenn du möchtest, dann halte hier fest, was du gerne angehen möchtest.
Auszug aus Jörg Berger, Andreas Rosenwink, Der Herzenskompass, www.francke-buch.de
Jörg Berger ist Psychologe und Psychotherapeut in eigener Praxis. Als gefragter Redner ist er mit Themen rund um schwierige und schöne Beziehungen unterwegs.