
Wir sind so frei!
Zwischen Schule, Studium und erstem Job haben viele mittlerweile (fast) jeden Kontinent gesehen, sind digital in aller Welt vernetzt. Wir sprechen mehrere Sprachen, sind weltoffen. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich für oder gegen etwas zu entscheiden! Los geht’s mit unserem Konsum, dem „Lifestyle“, den wir pflegen und nach außen hin möglichst lässig in Szene setzen. „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“? Solche Statussymbole bedeuten uns herzlich wenig. Wir leben unsere Freiheit, unsere Selbstinszenierung, an anderer Stelle. Mit überteuertem „Slow Food“ – natürlich aus dem Bioladen und komplett vegan. Und dann ist da noch das allerneuste Smartphone für 700 Euro – das sind die Statussymbole unserer Generation. Erlebnisse bedeuten uns viel, Essen is(s)t so ein Erlebnis. Mit dem Smartphone halten wir das alles fotografisch fest, wir teilen wie die Weltmeister!

Finanzen: Wir geben Geld aus, um etwas zu erleben
„Wir sind jung und brauchen das Geld“, sagen wir im einen Moment. Und im anderen: „Glück ist nicht käuflich.“ Was denn nun? Wir wollen uns nicht versklaven. Die Moneten sollen einfach „fließen“. Und um „flüssig“ zu sein, arbeiten wir viel – meist in mehreren Gelegenheitsjobs. Wir sparen einen Teil und geben es ziemlich schnell an anderer Stelle wieder aus. So wiederholt sich der Kreislauf, jeden Tag neu. Und morgen? Ist vielleicht alles ganz anders. Andere träumen derweil von der finanziellen Freiheit. Bereits auf dem Campus tummeln sich Anlageberater, obwohl wir noch gar keine großen Summen zum Anlegen haben. Sie versprechen uns Freiheit – gegen Provision. Und wollen dabei etwas nahezu Unmögliches schaffen: die geltenden Gesetze des Marktes übertrumpfen, austricksen.
Wir beschäftigen uns lieber mit etwas Anderem – wir sind so frei! Und mutig. Wir haben das, was vielen so schwerfällt – dieses Gottvertrauen und die Gelassenheit, Dollars eben auch Dollars sein zu lassen – ist eh alles bloß relativ. Denn erstens macht Geld nicht wirklich glücklich, und zweitens gibt's gerade sowieso kaum Zinsen aufs Sparbuch und drittens ... Ach, lassen wir das!
Wir wissen: Was gestern galt, ist morgen vielleicht schon längst „out“! Wenige „GenYler“ werden in dem Beruf in Rente gehen, mit dem sie gerade erst ihre wohl bedachte Karriere begonnen haben. Die Ängste der Eltern und solchen, die es „nur gut“ mit uns meinen, nerven. Das engt unseren Freiraum ein. Was wir wollen? Natürlich die Welt entdecken, so wie sie uns gefällt. Mit dem nötigen Kleingeld in der Tasche.

Mobilität: Wir reisen um die Welt – auch, um Eindruck zu machen
Wir wollen uns selbst ein Bild von der Welt leben: mobil, live und am besten im 360-Grad-Modus. Laufend kommentieren wir in sozialen Netzwerken von unterwegs, was wir gerade sehen, oder posten Bilder – verwackelt und nah dran. Wir profitieren vom Preiskampf der Billigflieger im Netz und den Last-Minute-Schnäppchen der Reiseanbieter. Es darf nur nicht so spießig sein! In den Hostels treffen wir immer wieder dieselben Leute. Du hörst und sprichst deutsch, trägst dieselben Outdoor-Marken, die mit Sprüchen werben, wie: „Ich bin raus!“ Manchmal tut es eben einfach nur gut, nichts zu tun, die Seele baumeln zu lassen und eine Woche irgendwo im Nirgendwo Urlaub „zu machen“. Mit gutem Wein, Essen und lieben Leuten am Lagerfeuer. Hauptsache Natur! So wie die Pfadfinder. Ganz egal wo? Ja. Und wie? Auf keinen Fall!
Mit einem VW-Bus machen wir Eindruck: der Bulli, ein Hippie-Mobil – das Image für Freiheit, generationsübergreifend. Die schicken Bilder vom T3-Synchro mit Hubdach am Strand unterm Millionen-Sterne-Himmel teilt sich gut bei Facebook. Religionsfreiheit: Wir glauben, Göttliches in uns zu entdecken Die sozialen Netzwerke werden sozusagen zum Altar, zum sakralen Kirchenraum. Unsere FacebookChronik ist uns heilig. Wir verbringen mit unserer Selbstinszenierung viel Zeit. Alle sollen es sehen und hören: Ich bin toll, und ich bin so, wie ich bin, und so (und nicht anders) ist es gut. Cool war gestern! Heute ist das SWAG – möglichst lässig rüberkommen –, und später gilt immer noch das Gesetz des YOLO – „you only live once“. Ja, wir leben nur einmal – in diesem Leben und in dem, was noch kommt, auf das Christen hoffen. Das Leben geht weiter! Das ist Glaubenssache, jeder glaubt an etwas anderes – die einen an sich selbst, die anderen an die Gesetze der Schwerkraft beim Boarden in der Halfpipe oder dem Bungee-Jumping-Sprung.
Digitalisierung: Wir vernetzen uns, um uns live mitzuteilen
Was früher die Postkarte war, ist heute ein Gruß in den sozialen Netzwerken. Unser Skype-Account hat die Telefonzelle abgelöst. Seitdem wir über Whatsapp keine SMS-Zeichen mehr zählen müssen, ist das Zeitalter der Kurzmitteilungen ebenso angezählt. Wir haben die freie Wahl! Freiheit – digital scheint sie grenzenlos, schön und schick. Aber täglich entsperren wir den Bildschirm unseres Smartphones im Schnitt achtzig Mal. Wenn ich mit Konfis spreche, die zwischen 12 und 14 Jahre alt sind, höre ich von den beiden Seiten ein und derselben Medaille, dem „Flow“ von 20 Sekunden Ruhm und FoMO, der „fear of missing out“, die ständige Angst, etwas zu verpassen. Wir sind ständig und überall erreichbar. Freiheit? Sieht irgendwie anders aus, fühlt sich anders an.
Das Ergebnis dieser ständigen Erreichbarkeit lässt nicht lange auf sich warten, warnen Anti-Stress-Berater und „Life Coaches“. Denn irgendwann ist unser Kraftspeicher alle. Eine Auszeit tut gut. Probier’s mal mit „Digital Detox“! Sozusagen das Gegenmittel zur Sucht. Den meisten hilft da im offenen Entzug bereits eine einfache Regel: In Gesprächen das Handy auf Flugmodus schalten, ebenso in der Nacht. Das sind Zeiten, in denen Du Dir Dein Recht auf Nichterreichbarkeit einforderst und die Freiheit zurückholst – vielleicht sogar einen ganzen Tag pro Woche, einen Ruhetag für Dich. Das könnte der Sonntag sein. Du bist so frei! Du musst nur lernen, die handyfreie Zeit auszuhalten.
Gleichberechtigung: Wir wollen, dass jede(r) zum Zuge kommt!
„Werte Mitbürgerinnen und Mitbürger“ – so beginnen viele Reden. Neuerdings mit * zwischen Mitbürger und innen. Politisch korrekt und angepasst ist das. Die Bewegung der Alt-68er legt viel Wert auf eine „gender-inklusive“ Sprache. Unsere Generation Y ist da bereits ein paar Schritte voraus! Brauchen wir Gender-Sprech? Uns ist doch völlig klar: Wir sind verschieden. Es gibt richtig viele Jobs, die beide gut können – Jungs wie Mädels. Mal abgesehen von Hebammen und dem Papstamt. Schwarz oder weiß? Wie ätzend! Das ist für uns keine Wahl. Wir lieben es so richtig laut und bunt. Vielfalt ist wichtig, jede(r) soll sagen dürfen, was er glaubt, was er denkt – und was nicht. Das gilt auch für Politik und Religion. Nur keine Denkverbote! Wir wollen Familie und etwas Sinnvolles im Leben tun. Wir lassen uns nur nicht so gerne etwas vorschreiben. Auf diesem Ohr hören wir schlecht – das wäre auch wirklich „old school“.

Toleranz
Toleranz – dieses Wort hören wir häufig in der Tagesschau. Und ja, es ist uns nicht egal, wenn Flüchtlinge in Notunterkünften von Ausländerfeinden beschimpft werden, wenn Dschihadisten in irgendwelchen Hinterhöfen für ihren Krieg im Namen Allahs werben, wenn ISTerroristen ein HeavyMetal-Konzert von freiheitsliebenden jungen Erwachsenen in Paris stürmen und wild um sich schießen. Wir haben schon viel gesehen, manchmal zu viel von der Welt, die so ist, wie sie ist – im Krieg. Im vereinten Deutschland ist seit mehr als 25 Jahren Frieden – Gott sei Dank!
Freiheit ist Indivdualität
Wenn ich für eine Minute die Newsticker ausschalte und mal wieder ein Buch aus der Kindheit zur Hand nehme – zum Beispiel „Pipi-Langstrumpf“ –, dann habe ich diesen Ohrwurm im Kopf: „Ich mach' mir die Welt, wie sie mir gefällt.“ Die Autorin Astrid Lindgren lebte in Schweden – nach wie vor das Musterland in Europa für Gleichberechtigung, Integration und Freiheit. Und sie formulierte das so: „Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.“
Christus
„Out of the box“, anders als andere – so war auch der Apostel Paulus unterwegs. Er schrieb in der Bibel, in seinen Briefen an Gemeinden in der heutigen Türkei und Griechenland von einer anderen Freiheit. Sie ist nicht von dieser Welt und doch mittendrin, in uns. Paulus schlussfolgerte: „Zur Freiheit hat uns Christus berufen.“ Und wir haben diese Freiheit, den Christus, den Messias in uns. Das ist alles andere als kommerziell. Wir können ihn entdecken in unserem Lifestyle, dort, wo wir unterwegs sind. Mal online, mal offline. Das ist alles andere als dogmatisch – es „gefällt mir“!
Wer schreibt hier:
Jan Thomas Otte (33) wohnt mit seiner vierköpfigen Familie am Bodensee und beendet gerade sein Vikariat, die Ausbildung zum Pfarrer. In aller evangelischer Freiheit bloggt er seine „Karriere Einsichten“ im Netz – von Neinsagern, Warmduschern und anderen Freaks. Er ist Diplom Theologe und ausgebildeter Journalist.
Mit freundlicher Genehmigung von IDEA E.V. EVANGELISCHE NACHRICHTENAGENTUR. Mehr unter www.idea.de